MARL.
Dieses Urteil ist eine Überraschung, die Begründung ein Schock: Vor dem
Landgericht Essen wurde am Montag ein Mann (31) aus Marl vom Vorwurf der
Vergewaltigung freigesprochen – weil sein Opfer (15) sich nicht
genügend gewehrt hat.
„Wenn man etwas nicht will, muss man das deutlicher machen. Er wusste ja
nicht, dass sie das gar nicht wollte“, sagte die Richterin. Auch die
Staatsanwältin hatte auf Freispruch plädiert, nachdem sie zuvor noch die
Anklage mit ungeheuerlichen Details vorgelesen hatte.
Der 31-Jährige soll im Juli 2009 in seiner Wohnung in der
Heinrich-Heine-Straße nach einem durchzechten Abend ein damals
15-jähriges Mädchen zum Sex gezwungen haben. Um dabei seine Ruhe zu
haben, schickte er vorher seine Lebensgefährtin und eine Freundin aus
der Wohnung. Die Frauen, die dem alkohol- und drogenabhängigen Mann
offenbar hörig waren, verließen die Wohnung ohne Widerspruch. Was dann
geschah, ist unbestritten: Es kam zum Sex zwischen dem kräftigen Mann
und dem Mädchen. Die Schülerin soll gesagt haben „Nein, ich will das
nicht“, doch er habe einfach weitergemacht.
Während der Angeklagte zu den Vorwürfen schwieg, sagte das Mädchen
gestern, es habe alles über sich ergehen lassen. Immerhin gilt der Mann
als äußerst gewaltbereit. Er sitzt derzeit eine Haftstrafe von über drei
Jahren ab, weil er unter anderem eine Bekannte im Streit verprügelt
hatte.
Doch dem Gericht reichten die Angaben des Mädchens nicht. „Es war nicht
in einer schutzlosen Lage. Es hätte weglaufen oder Hilfe rufen können,
aber es hat alles über sich ergehen lassen. Das reicht nicht, um
jemanden zu bestrafen“, betonte die Richterin.
Der Anwalt des Mädchens, Dirk Brockpähler aus Castrop-Rauxel, sagte nach
dem Urteil: „Man kann jeder Frau nur einen Rat geben: Im Zweifel musst
du kratzen.“